Therapie soll helfen – nicht überfordern!
Mit einem Gewicht von 208 Kilogramm entschied ich mich für eine Magenbypassoperation. Alle vorherigen Therapieversuche verliefen erfolglos oder zumindest konnten erzielte Therapieerfolge nicht langfristig gehalten werden.
Sicherlich war auch eine Ursache für das Scheitern, dass die damaligen Therapieangebote aber auch mein Aktionismus dafür gesorgt haben, dass diese Maßnahmen mich bereits schnell überforderten. Besonders beim Sport neigte ich dazu, immer wieder den Fehler zu machen, dass ich sowohl von der Sportart selbst wie auch von der Intensität her ein Pensum plante, welches nie realistisch war und immer mehr Schein als Sein dokumentierte. Auf dem Papier sah es natürlich gut aus, wenn ich fünfmal in der Woche den Sport eintrug und auch versuchte sportliche Aktivitäten einzuplanen die gerade „hip“ und angesagt waren. Die Liste dieser Vorhaben liest sich aus heutiger Sicht eher wie ein grotesker Versuch, das Umfeld zu beeindrucken.
Von Rollerblades, über Kraftsport bis hin zum Joggen oder Tennis war so ziemlich alles dabei, was gerade in den Medien und auch in den Sportgeschäften angesagt war.
Somit war bereits fast immer das Scheitern vorprogrammiert, da viele Sportarten nicht auf meine individuelle und schwierige Gewichtssituation abgestimmt waren und auch die Ziele so hochgesetzt wurden (von mir selbst), dass ich schnell die Lust verlor und das ganze Projekt verwarf.
Ähnlich verhielt es sich auch bei Diäten oder meinen Sitzungen bei der Ernährungsberatung. Auch hier steckte ich meine Erwartungen häufig zu hoch und setzte mir Therapieziele, die unrealistisch waren. Wenn ich diese überzogenen Ziele nicht erreichte, war auch hier sehr schnell das Ende meines Vorhabens vorprogrammiert – zum Schaden meiner Gesundheit und meiner Gewichtssituation.
Aber auch Therapeuten oder unser Umfeld konfrontieren uns häufig mit überzogenen Erwartungen oder auch Vorschlägen für therapeutische Maßnahmen, die nicht auf die besondere Situation von Adipositaspatienten ausgerichtet sind.
Adipositastherapie darf nie überfordern und sollte immer unsere aktuelle Situation berücksichtigen. Im Bereich der Bewegung kann es sinnvoller sein, zwei oder drei Spaziergänge wirklich umzusetzen, als einen Vertrag für ein Sportstudio abzuschließen. Eine Nahrungsumstellung zu planen die eine Kalorienreduzierung um 250 Kalorien am Tag erreicht, ist häufig erfolgreicher und nachhaltiger umzusetzen, als eine strenge Diät.
Aus heutiger Sicht ist mir bewusst geworden, dass Therapie immer dann versagt, wenn Therapieziele nicht realistisch sind und die therapeutische Maßnahme die aktuelle Gewichts- und Gesundheitssituation nicht berücksichtigt.
Ihr
Faris Abu-Naaj
für Adipositas München
Foto: © Pixabay
Ich merke es an mir selbst auch immer wieder, ich rödle bis zum Totalzusamnenbruch und dann geht wieder nix mehr, so dass ich immer wieder von vorne beginnen muss. Durch eine Lungenembolie zwingt mich mein Körper gerade dazu langsam zu machen. Die konditionellen Erfolge sind weit besser.
sehr schön und präzise geschrieben
Ich kann das ganz gut nachvollziehen. Und ich bin mir sicher, dass es vielen von uns so ging….
Ein sehr guter Beitrag, lieber kleinere Ziele die man umsetzt,als Grösse Pläne die schon am Anfang zu scheitern verurteilt sind.