Schuld sind nicht immer nur Andere!
Die Krankheit Adipositas stellt mit all ihren Folgen und Begleiterkrankungen sowohl uns Mediziner, als auch unsere Patienten vor ganz besondere Herausforderungen. Auch die sozialen und gesellschaftlichen Folgen sind für viele der Betroffenen nicht von der Hand zu weisen. Die Stigmatisierung in großen Teilen unserer Gesellschaft sowie abfällige Blicke und Kommentare schaffen Frustration und einen hohen Leidensdruck.
Auch unser Gesundheitssystem trägt nicht immer dazu bei, dass sich die Situation der Patienten vereinfacht. Anträge und Bescheinigungen müssen besorgt werden und häufig verlangt der Nachweis von konservativen Therapieversuchen ein hohes Maß an Engagement und Mitarbeit.
All dies ist mir bekannt und auch ich wünsche mir die Situation für die Patienten in Deutschland weniger beschwerlich.
Dennoch fällt es mir manchmal schwer, immer nur die eben geschilderten Umstände dafür verantwortlich zu machen, warum eine notwendige Adipositastherapie nicht umgesetzt oder häufig viel zu spät begonnen wird. Im Umgang mit meinen Patienten bin ich immer wieder davon überrascht, wie unterschiedlich sie mit Schwierigkeiten oder Hürden umgehen und wie leicht oder schwer es ihnen fällt nach Lösungen für Probleme zu suchen und diese dann auch umzusetzen.
Das fängt bei der Besorgung einzelner Behandlungsnachweise oder Bescheinigungen an und hört bei größeren Problemen noch lange nicht auf.
Natürlich ist es auch die Pflicht eines Adipositaszentrums, Sie bei der Umsetzung der einzelnen Therapieschritte zu unterstützen und im Bereich der Antragsstellung mit Ihnen zusammenzuarbeiten.
Dennoch glaube ich, dass deutlich kommuniziert werden muss, welches hohe Maß an Eigenverantwortung und Engagement notwendig ist, um die hier geschilderten Hürden und Probleme zu überwinden. Auch wenn Menschen in Ihrem persönlichen Umfeld Ihr Vorhaben nicht unterstützen, oder sogar versuchen es zu behindern, auch wenn die Krankenkasse durch eine restriktive Antragspolitik die Durchführung einer bariatrischen Operation verzögert, so können Sie trotzdem dazu beitragen, dass Ihr Wunsch nach einem gesunden und leichteren Leben in Erfüllung geht.
Dass dieser Weg nicht immer leicht ist, – das ist mir durchaus bewusst. Jedoch ist keinem geholfen, wenn wir notwendige Therapiemaßnahmen nicht umsetzen, weil unser privates oder berufliche Umfeld oder die Kassen uns Steine vor die Füße werfen.
Meine Erfahrungen in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen haben mir gezeigt, dass wir vor allem durch unsere eigenen Aktivitäten entscheiden, ob wir Erfolg haben oder ob wir scheitern. Dies gilt auch für die Adipositastherapie.
Ihr
Dr. med. Min-Seop Son
Leitender Oberarzt der AMC-WolfartKlinik, Zentrum für Adipositas- und metabolische Chirurgie
Gerade hier in den Facebook-Gruppen zu den Themen rund um eine metabolische Operation lese ich auch immer wieder, das viele sehr blauäugig an die Sache herangehen. Anstatt sich eine zertifizierte Klinik zu suchen, einer Adipositas Selbsthilfegruppe beizutreten, fragen sie hier in den FB-Gruppen den Leuten ein Loch in den Bauch. Oder sie wollen Ratschläge, die nur ein Arzt geben kann.
Ein so großer Eingriff in den Körper mit den teilweise ja extremen Folgen, muss gut vorbereitet werden.
Ich bin jetzt seit 3 Monaten dabei und es war bisher schon ein langer Weg, mit diversen Facharztbesuchen, SHG´s, 2 Besuchen in unterschiedlichen Kliniken und Beratungen.
Aber auch ich habe sicherlich noch nicht alles beantwortet bekommen, aber ich scheue mich natürlich nicht, auch mal unbequeme Fragen zu stellen.
Man hat hier das Gefühl, das manchen Menschen meinen, dass das alles ein Spaziergang ist, sie sich nur am Rande darauf vorbereiten müssen und dass mit dem operierten Magen alles gut wird.
Wie immer wieder gesagt wird, operiert wird nur der Magen und nicht der Kopf. Daran sollten alle denken.
Ich sehe das ganz genau so. Es muss uns bewußt sein, dass wir dauerhaft an unserem Verhalten etwas ändern müssen, sonst funktioniert das nicht. Ohne OP schafft es fast kein Adipöser, die OP ist dafür eine ganz große Hilfe, aber eben nur eine Hilfe. Das MMK – so man es ernsthaft mitmacht – ist eine tolle Vorbereitung auf die Zeit nach der OP. Und der Beistand der Adipositaszentren ist auch äußerst hilfreich, aber wenn man selbst nicht den Hauptteil übernimmt, hilft alle Hilfe nichts.
Sehr gut geschrieben. Ich stimme vollkommen zu!!!!