Daily Archives: 26/06/2024
Was ist eine bariatrische Operation?
Die bariatrische Chirurgie ist auf die operative Reduktion des Körpergewichtes spezialisiert. Der Begriff Bariatrie leitet sich von den griechischen Wörtern barós = Schwere, Gewicht und iatrós = Arzt ab; sie wird auch als Adipositas-Chirurgie bezeichnet. Das Ziel bariatrischer Eingriffe ist eine schnelle Gewichtsabnahme bei adipösen Patienten, um deren Lebensqualität und oft auch die Lebenserwartung zu steigern. Mittlerweile hat sich auch der Begriff der Metabolischen Chirurgie etabliert. Hierbei zielt die Therapie primär auf die diabetische Stoffwechsellage.
In den meisten Fällen werden bariatrische Operationen laparoskopisch über kleine Bauchschnitte durchgeführt. Für den Operationserfolg sind eine konsequente Nachsorge und eine lebenslange Begleitung der Patienten entscheidend.
Ein Blick zurück in die Geschichte der Magen-OP
Bereits in den 60ger Jahren wurden erste bariatrische Operationen bei betroffenen Patienten durchgeführt. Bei dem sogenannten jejunoilealen Bypass wurde die Verdauungsstrecke des Dünndarms deutlich verkürzt; eine Teilentfernung des Darms fand jedoch nicht statt. Bei den Patienten stellten sich jedoch starke Komplikationen wie lebensbedrohlicher Durchfall oder schwerer Proteinmangel ein.
1966 entdeckte ein Mediziner erstmals, dass eine Entfernung von Teilen des Magens (Indikation durch Krebserkrankungen) auch zu einer signifikanten Gewichtsreduktion bei den Patienten führte. Seit Mitte der 90er Jahre werden bariatrische Operationen minimalinvasiv (sog. „Schlüssellochmethode“) durchgeführt. Dadurch gingen auch die Komplikationen erheblich zurück und die Patienten müssen seitdem nur noch eine kurze Verweildauer im Krankenhaus auf sich nehmen.
Welche Möglichkeiten bariatrischer Operationen gibt es?
Patienten stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, durch operative Eingriffe das Magenvolumen zu verringern oder die Nahrungsverwertung zu reduzieren und dadurch signifikant an Gewicht zu verlieren. Welche Operationsmethode die am besten geeignete für den Patienten ist, muss vorab im Rahmen einer gründlichen Anamnese und Diagnostik gemeinsam mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.
Das Magenband
Bei der OP-Technik wird dem Patienten ein verstellbares Band eingesetzt, das den Magen in zwei Bereiche einteilt: einen kleinen Vormagen (ca. 20 bis 30 ml Volumen) und einen größeren Restmagen. Die Füllkapazität des Vormagens wird dadurch so stark reduziert, dass die Sättigung schneller einsetzt. Diese OP-Methode wird allerdings aufgrund der schlechten Langzeitergebnisse nicht mehr angewandt.
Der Sleeve
Der Sleeve, auch Schlauchmagen oder Sleeve-Gastrektomie genannt, reduziert ebenfalls das Magenvolumen. Hierbei wird ein Großteil des Magens irreversibel operativ entfernt. Diese OP-Methode wird weltweit am häufigsten durchgeführt. Durch das veränderte Magenvolumen ändert sich die Menge der möglichen Nahrungsaufnahme. Es finden aber auch hormonelle Veränderungen statt, die verschiedene Stoffwechselprozesse im Körper günstig beeinflussen.
Der Roux-en-Y Magenbypass
Bei dieser Methode wird zunächst ein kleiner Vormagen gebildet (sog. Magenpouch). Anschließend erfolgt eine Verkürzung der Verdauungsstrecke des Dünndarms. Eine Entfernung von Magen- oder Darmanteilen ist aber nicht erforderlich. Auf diese Weise werden insbesondere Kohlenhydrate und Fette in einem geringen Maße aufgenommen. Auch finden hormonelle Veränderungen statt, die insbesondere eine diabetische Stoffwechsellage äußerst günstig beeinflussen.
Minibypass/Ein-Anastomosen-Bypass
Darüber hinaus gibt es mit dem sogenannten Mini-Bypass eine weitere operative Möglichkeit, die weltweit zunehmend durchgeführt wird. Die OP-Technik ist etwas einfacher und geht mit geringeren OP-Risiken einher. Dabei wird ein eher schlauchförmiger Vormagen gebildet, der über eine Neuverbindung (sog. Anastomose) mit dem Dünndarm verbunden wird. Der Dünndarm wird bei dieser Technik nicht durchtrennt, sondern lediglich in Teilen von der Nahrungspassage ausgeschlossen. Im Vergleich zum Roux-en-Y Magenbypass kann dieser Eingriff häufig auch bei einem starken Bauchfett-Anteil noch durchgeführt werden.
Welche Erfolgsaussichten sind bei operativen Eingriffen zu erwarten?
Selbstverständlich sind durch eine bariatrische Operation nicht alle Probleme rund um das Übergewicht mit einem Mal gelöst. Jeder Eingriff erfordert vorab eine sorgfältige Abklärung, eine Änderung der Lebensgewohnheit und aktive Mitarbeit des Patienten. Kommen diese Umstände zusammen, dann ist die bariatrische Chirurgie nach wie vor die effektivste Form der Gewichtsreduktion bei hochgradig adipösen Patienten.
Welche Komplikationen sind zu erwarten?
Auch wenn adipositas-chirurgische Eingriffe heutzutage routinemäßig durchgeführt werden, können Komplikationen auftreten. Hiervon abzugrenzen sind postoperative Anpassungsprozesse, die jeder Patient nach derartigen Eingriffen durchmacht. Je nach Eingriff klagen die Patienten z.B. in den ersten Tagen nach dem Eingriff manchmal über Übelkeit oder Erbrechen, da sie sich in dieser Zeit erst noch an das neue Magenvolumen gewöhnen müssen.
Komplikationen treten, insbesondere bei zertifizierten Zentren, allerdings nur sehr selten auf. In aller Regel ist die bariatrische OP komplikationsarm und ein sicheres OP-Verfahren. Vorab werden mögliche Ängste und Risiken, die stark abhängig sind von der gewählten OP-Methode, mit dem behandelnden Arzt in unserem Adipositas Zentrum in München besprochen.
Da nach jeder adipositas-chirurgischen Maßnahme die Aufnahme von z.B. Vitaminen, Mineralien und Eiweißen eingeschränkt ist, müssen diese Vitamine und Spurenelemente von den Patienten lebenslang substituiert (eingenommen) werden. Der richtige Bedarf dieser sogenannten Supplemente wird individuell festgelegt. Wichtiger Bestandteil der Therapie ist daher die postoperative Nachsorge, die wir ebenso für unsere operierten Patienten anbieten.
Ab welchem Ausgangsgewicht werden bariatrische Operationen durchgeführt?
Eine bariatrische Operation ist nur dann angeraten, wenn entsprechende Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen für einen operativen Eingriff gibt uns die S3-Leitlinie vor. In der Praxis ist eine Adipositas-OP erst ab einem BMI von 35 kg/m² möglich. Allerdings müssen immer weitere BMI-unabhängige Voraussetzungen erfüllt sein, die bei einem individuellen Gespräch geklärt werden
Erfolgt eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse?
Krankenkassen sehen eine Kostenübernahme für eine bariatrische Operation noch immer sehr kritisch an. Sie berufen sich dabei noch immer auf ein Urteil des Sozialgerichtes aus dem Jahr 2003, das ein Ultima-Ratio-Prinzip bei der Adipositaschirurgie ausgesprochen hat. Demnach können bariatrische Operationen nur dann genehmigt werden, wenn sie als letztes Mittel zur notwendigen Gewichtsreduktion bei Adipositas-Patienten angesehen werden. Vorab wird von den Patienten ein mindestens 6-12 Monate andauernder Versuch verlangt, das eigene Gewicht durch Sport und Ernährungsumstellung zu reduzieren. Bis heute gilt eine bariatrische OP für die Krankenkassen nicht als Regeleingriff. Kostenpolitisch gab es leider wenig gemeinsame Anstrengungen Adipositas-Patienten zu helfen.
Allerdings wird starke Kritik an dieser Sichtweise der Krankenkassen geübt. Das „Ultima Ratio“-Prinzip der Krankenkassen in der Adipositaschirurgie entspricht nämlich nicht mehr dem Stand der medizinisch-wissenschaftlichen internationalen Leitlinien und klinischen Evidenz. Nach neusten Studien kann belegt werden, dass der zu erwartende Behandlungserfolg eines Adipositas-Patienten durch eine bariatrische OP einem konservativen Verfahren in vielen Fällen weitaus überlegen ist. Tatsächlich existiert keine einzige Studie mit hochgradiger Evidenz, die belegt hat, dass eine konservative Maßnahme bei adipösen Patienten langfristig erfolgreich ist. Die Adipositaschirurgie gilt hingegen als effektive Behandlungsmethode mit der breitesten Evidenzlage.
An unserem Referenzzentrum für Adipositaschirurgie erfolgt eine operative Therapie der Adipositas, wenn alle Voraussetzungen leitliniengerecht erfüllt sind. Ein Antrag auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist im Vorfeld dann nicht erforderlich und dieses Vorgehen wurde mittlerweile auch gerichtlich bestätigt.
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