Adipositastherapie ist ein Fulltimejob

Für viele AdipositaspatientInnen stellt die Durchführung eines sogenannten Multimodalen Therapiekonzeptes eine große Herausforderung dar und wird oft fälschlich nur als Hürde vor der OP betrachtet. Für mich ist das unverständlich, denn schließlich sollten auch viele Bestandteile dieses Konzeptes ein Leben lang in die Therapiestrategie eingebunden werden.

Die Ernährungsberatungen, die vor der OP stattfinden, sollten sicher auch nach einer OP gelegentlich im Terminkalender auftauchen. Nur durch die langfristige Kontrolle des Essverhaltens und das Gespräch mit ErnährungsberaterInnen können die schleichende Rückkehr zu falschen Essgewohnheiten oder die Etablierung neuer Ernährungsfehler rechtzeitig erkannt und behoben werden. Viele PatientInnen reagieren häufig zu spät und suchen die Hilfe der ErnährungsberaterInnen erst dann, wenn bereits ein erneuter großer Gewichtsanstieg stattgefunden hat.

Bewegung und sportliche Aktivität sind auch nach der OP ein absolutes „MUSS“ und in der medizinischen Praxis wird es fast niemand langfristig schaffen, den Therapieerfolg dauerhaft zu bewahren, wenn nicht mindestens 2 bis 3x in der Woche sportliche Aktivitäten oder lange Spaziergänge in den Tagesablauf eingebunden werden.

Viele notwendige Untersuchungen, die als OP-Vorbereitung angesehen werden, müssen zwingend auch nach einer OP weiterhin stattfinden. Dazu gehört das Jahresgespräch mit dem Arzt ebenso, wie die regelmäßigen Blutuntersuchungen. Ein Eiweiß-, Vitamin- und/oder Mineralstoffmangel kann lebensbedrohende Konsequenzen haben oder zumindest gravierende gesundheitliche Einschränkungen verursachen.

Auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe gehört für mich zu einem absoluten Muss. Ich erlebe es immer wieder, dass mir ShG-Leiter berichten, dass viele Betroffene dort vor der OP erscheinen, weil sie sich Bescheinigungen für die Kasse erhoffen. Nach der OP verschwinden viele von ihnen dann klanglos. Dabei hat die ShG für mich nach der OP eine besonders wichtige Funktion. Die TeilnehmerInnen unterstützen sich, wenn der Therapieverlauf stagniert oder eventuell sogar wieder zurückläuft. PatientInnen profitieren von den Erfahrungen der Anderen und hören wie diese in vergleichbaren Situationen gehandelt und was diese Aktionen gebracht haben.
Ein motiviertes und schnelles Handeln kann durch die aktive Mitgliedschaft in einer ShG gefördert oder sogar bedingt werden.

All dies zeigt, dass eine erfolgreiche und langanhaltende Erfolgsstory im Bereich der Adipositastherapie ein hohes Engagement und die Nutzung vieler Therapieoptionen, auch nach der OP, erfordert.

Deshalb kann ich nur allen AdipositaspatientInnen die dringende Empfehlung geben, eine OP nicht als „Selbstläufer“ zu verstehen, sondern zu begreifen, dass auch ein Schlauchmagen oder Magenbypass eine kontinuierliche Arbeit verlangt.

Ihr

Faris Abu-Naaj

Faris Abu-Naaj

Beitragsfoto: © Gerd Altmann / Pixabay
Autorenfoto: © Frank Adelhardt

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Adipositaschirurgie in Deutschland am Scheideweg?

Warum Interdisziplinäre Therapie in der Adipositasbehandlung oft (noch) nicht funktioniert und weshalb sich das ändern muss! Als Adipositaspatient und ShG-Leiter habe ich Sorge vor gewissen Entwicklungen und Tendenzen in der Adipositaschirurgie.

Ein Beitrag von Faris Abu-Naaj

Seit Jahren führe ich gemeinsam mit Roberta Englert und Mihaela Savu jeweils Selbsthilfegruppen in Frankfurt und München. Ich möchte hier aus Sicht von mir als Patient und Leiter von Adipositas-Selbsthilfegruppen über negative Entwicklungen im Bereich der Adipositaschirurgie sprechen.
Meiner Ansicht nach sollten nicht nur die Sichtweisen von Ärzten, Kassen oder Fachgesellschaften eine Relevanz haben, sondern diese können auch in hohem Maße von den gesammelten Erfahrungen und dem bundesweiten Austausch der Betroffenen profitieren – insbesondere dann, wenn es darum geht, einzelne negative Entwicklungen zu erkennen und zu vermeiden.

Auf fast jeder Webseite und in vielen Broschüren von Adipositaszentren ist von einem Interdisziplinären Therapiekonzept oder Interdisziplinären Behandlungsteams die Rede. Dieses Konzept, das sich in immer mehr Medizinbereichen etabliert, bietet sowohl im Bereich der Diagnostik als auch bei der Therapie für Patienten einen hohen Mehrwert. Und gerade bei komplexen Krankheitsbildern kann dieses Behandlungskonzept die Chancen auf Heilung bzw. einen nachhaltigen Therapieerfolg deutlich steigern.

Auf dem Papier klingt das Konzept recht simpel:

Mediziner und Therapeuten unterschiedlichster Fachrichtungen und Bereiche tauschen sich bei der Diagnostik und Therapie intensiv aus und entwickeln daraus gemeinsam eine individuelle Therapiestrategie für die Patienten. Eine Strategie, die sich an der individuellen Lebens- und Gesundheitssituation der Betroffenen orientiert und dabei Art und Schwere der Krankheit berücksichtigt. Dabei werden meist unterschiedliche Diagnose- und Therapieoptionen geprüft und besprochen und häufig auch miteinander kombiniert.

Was jedoch in der Krebstherapie oder bei Multipler Sklerose (MS) in vielen Fällen schon gut funktioniert, scheint in der Adipositastherapie noch in einigen Häusern nicht wirklich konsequent umgesetzt zu werden und dies hat mehrere Gründe:

  • Interdisziplinäre Therapieformen kosten (erstmal) mehr Geld und Zeit und werden in der Regel von den Kassen nicht oder nur teilweise vergütet. (Eine Ausnahme bilden hier individuelle Versorgungsverträge mit den Kassen oder das Projekt ACHT.)
  • Es besteht keine einheitliche, abgestimmte Vorgehensweise der Adipositaszentren untereinander und leider nutzen einige Zentren eine ohne große Vorbereitung durchgeführte OP als „Marketingtool“, um Patienten eine vermeintlich schnelle und bequeme Lösung anzubieten.

Verantwortliche gibt es viele und auch, wenn es häufig nicht offen ausgesprochen wird oder wir es uns nicht trauen zu sagen, sind es manchmal auch die Patienten:

Die meisten Betroffenen, die ein Adipositaszentrum aufsuchen, haben bereits einen langen Leidensweg hinter sich, der gekennzeichnet ist von unzähligen gescheiterten Abnehmversuchen, sozialer Missachtung und damit verbundenen enormen gesundheitlichen und psychischen Belastungen sowie auch beruflichen Nachteilen. Viele dieser Menschen suchen deshalb ein Zentrum auf, mit der vorgefertigten Meinung, dass nur noch die OP helfen kann und diese umgesetzt werden muss -und das möglichst schnell!!!

Ein ergebnisoffener und konstruktiver Dialog zwischen Zentrum und Patient ist da schon oft nicht mehr möglich, denn selbst, wenn es andere Therapieoptionen gäbe, die zielführend sein könnten, werden diese gar nicht mehr in Betracht gezogen – zu groß ist die Angst, wieder zu versagen und weiterhin wertvolle Lebenszeit zu verlieren.

Und auch die sozialen Netzwerke sorgen dafür, dass Patienten manchmal die chirurgische Option mit vollkommen übertriebenen Erwartungshaltungen und Vorstellungen bewerten und andere konservative Therapieoptionen pauschal ablehnen.

Auch in der Gruppe „Adipositas Chirurgie – Fragen und Antworten“, die ich als einer der Administratoren betreue, passiert dies laufend, und zwar in einer Absolutheit, die mir manchmal Angst macht. Tausende Patienten posieren vor Spiegeln, Fitnessgeräten oder auf Waagen und kommunizieren ein verklärtes Bild, das häufig nach dem Schema abläuft:„Früher habe ich alles versucht und es nicht geschafft; dann habe ich mich operieren lassen und jetzt ist alles gut!“ #NewLife #Leben 2.0 # NeverGiveUp usw.

Der OP-Eingriff wird als einzige Lösung gepriesen und eventuelle Nachteile werden dabei völlig außen vor gelassen. Der momentan große Abnehmerfolg wird präsentiert und hierbei oft übersehen, dass nach der OP nicht alles für immer gut ist, sondern dass es sich hier nur um eine Momentaufnahme im Kampf gegen eine lebensbedrohende und vor allem chronische Erkrankung handelt.
Die Adipositas ist ein komplexes Krankheitsbild, das in der Diagnostik, der Therapie und der lebenslang notwendigen Nachsorge deshalb eines interdisziplinären Therapiekonzeptes bedarf.

Im Vergleich zur scheinbar schnellen und einfachen Lösung durch eine OP werden leider von einigen Adipositaspatienten die hier unerlässlichen Vorbereitungskurse, Ernährungsberatungen oder Gespräche mit Psychologen als lästig und nicht zwingend notwendig gesehen. Und so wird dann im Internet und in den sozialen Netzwerken nach Zentren Ausschau gehalten, die auf die vermeintlich unnötige Vorbereitungsphase oder unterstützende konservative Therapieangebote teilweise oder gänzlich verzichten, und leider werden sie dabei oft fündig und kehren deshalb ihrem – nach medizinischer Evidenz handelnden und therapeutisch breit aufgestellten – Zentrum den Rücken
.
Deshalb tragen leider auch viele Patienten mit dafür die Verantwortung, dass solche Zentren großen Erfolg haben, die ein interdisziplinäres Therapiekonzept nur auf der Webseite propagieren, statt es auch tatsächlich anzubieten und mit den Patienten umzusetzen. Für diese Menschen scheint ein schnellerer zeitlicher Ablauf wichtiger zu sein, als ein gutes und therapeutisch breit aufgestelltes Therapiekonzept zu erhalten.

Eine weitere, große Verantwortung haben die Mediziner:

Auch wenn Patienten das Zentrum mit einer bereits vorgefassten Therapieerwartung aufsuchen, so tragen auch die Mediziner mit die Verantwortung dafür, ob in ihrem Zentrum ein interdisziplinäres Konzept nur in der Außendarstellung kommuniziert oder wirklich umgesetzt wird.

Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich die Situation der Zentren und der Zentrumsleitungen nicht verbessert hat. Der wirtschaftliche Druck von Seiten der Krankenhausleitungen und Kostenstellen steigt. Immer mehr Krankenhäuser versuchen, in der bariatrischen bzw. metabolischen Chirurgie Fuß zu fassen, und das führt zu einem stärkeren Wettbewerb. Allein in den letzten 4 Jahren ist die Zahl der von der DGAV bzw. CAADIP zertifizierten Adipositaszentren von 56 auf 88 gestiegen (Webseite der DGAV, Stand 08.09.2020). Zudem gibt es zusätzlich Dutzende nicht zertifizierter Adressen, die im Bereich der Adipositaschirurgie aktiv sind.

Die Konkurrenz führt natürlich zu einem Kostendruck, der es den Chirurgen nicht einfacher macht, konservative Therapiestrategien wie die Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie in die OP-Vorbereitung und -Nachsorge zu integrieren. Hier werden dadurch natürlich zusätzliche Kosten generiert, die oftmals aber von den Kassen nicht übernommen werden und die viele Patienten selbst nicht in der Lage sind zu bezahlen.

Seriöses und evidenzbasiertes Handeln kostet in zweierlei Hinsicht Geld:

  • Im Bereitstellen der therapeutischen Ressourcen und des therapeutischen Angebotes
  • In der Zahl der Patienten, die sich häufig dann eine andere Adresse suchen, die einen vermeintlich kürzeren und einfacheren Weg zur OP propagiert

Einen immer größeren Anteil daran, dass häufig eine bundesweit leitliniengerechte, interdisziplinäre Therapie vor und nach einer OP nicht stattfindet, haben deshalb auch im besonderen Maße die schwarzen Schafe:

Das frühere Handeln in der bariatrischen Szene war zumindest eine Zeitlang geprägt von einem einheitlichen Prozedere bei der Antragsstellung, welches die Durchführung eines sogenannten „Multimodalen Konzeptes“ erforderte. Dies bestand im Wesentlichen in der Durchführung von 6 Ernährungsberatungen, einem psychologischen, endokrinologischen und chirurgischen Gutachten, dem Nachweis von regelmäßigen Bewegungs- und Sportaktivitäten und dem Ausschluss von sogenannten Kontraindikationen.

In der Regel verlief die Durchführung dieser Maßnahmen in einem zeitlichen Rahmen von 6 bis 7 Monaten und es erfolgte dann die Antragsstellung an die Krankenkasse zur Kostenübernahme eines bariatrischen Eingriffes. Für viele Patienten war die Zeit zwischen der Antragsstellung und der Entscheidung der Kasse geprägt von Nervosität und Angst vor der Ablehnung. Oft kam es auch von Seiten der Kassen zu teilweise absurden Ablehnungsbegründungen und Entscheidungen, die eher am Roulettetisch getroffen zu werden schienen als auf Basis medizinischen Wissens und der aktuellen gesundheitlichen Situation der Betroffenen. Was folgte, war meist ein jahrelanger Kampf bei Sozialgerichten mit ungewissem Ausgang und eine sich weiter verschlechternde Gewichts- und Gesundheitssituation der Patienten.

Insofern begrüße ich die Entscheidung vieler Kliniken und Zentren, auf das Prozedere der Antragsstellung zu verzichten – schafft es doch für uns Patienten die Sicherheit, dass dann die erhoffte OP durchgeführt wird, wenn die auf Basis der Leitlinien (S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen) definierten Therapieziele während der Durchführung einer multimodalen Therapie nicht erreicht wurden.
Dennoch sollten ALLE Adipositaszentren eine einheitliche und transparente Therapiestrategie umsetzen, die sowohl eine leitlinienkonforme OP-Vorbereitung als auch die Durchführung einer OP und die bariatrische Nachsorge gewährleistet.
Leider scheinen das einige Zentren nicht so zu sehen und ich erlebe es zurzeit immer wieder, dass es Adipositaspatienten schaffen, durch den Zentrumswechsel und „Empfehlungen“ im Netz wichtige und sinnvolle Vorbereitungs- und Therapiemaßnahmen im Vorfeld einer OP zu umgehen und so innerhalb weniger Wochen die ersehnte OP zu verwirklichen. Teilweise liegen zwischen dem Erstgespräch und dem OP-Termin nur einige Wochen.

Leidtragende der „Guerilla-Strategie“ einiger weniger Behandlungsadressen sind die Zentren und Mediziner, die verantwortungsvoll, strukturiert und auf Basis der etablierten und evidenzbasierten Leitlinie handeln. Sie können oft trotz größter Bemühungen vielen ihrer Patienten nicht vermitteln, warum all die wichtigen und notwendigen therapeutischen Maßnahmen im Vorfeld und nach einer OP in ihrem Zentrum gelten – in einem anderen aber scheinbar vernachlässigt oder ignoriert werden.
Leidtragende sind aber auch viele Patienten, deren persönliche Schilderungen, Posts, Kommentare und Nachrichten mich und viele andere ShG-Leiter oder Admins von Facebook-Gruppen erreichen und die verheerende Wissensdefizite im Bereich der sinnvollen OP-Vorbereitung, der Ernährung kurz-, mittel- und langfristig und der (nach einem bariatrischen Eingriff) notwendigen Supplementierung offenbaren.
Erschreckend für mich ist die Tatsache, dass hier immer wieder dieselben Zentren genannt werden.

Leidtragend ist aber auch die ganze seriös und kompetent agierende Fachrichtung der Adipositaschirurgie, die durch die Vorgehensweise einzelner Zentren mit der Durchführung von „Blitz-OPs“, der Vernachlässigung eines leitliniengerechten Therapiepfades und fehlenden Nachsorgekonzepten den Kritikern aus z.B. anderen medizinischen Fachrichtungen, aber auch einzelnen Kassenvertretern in die Hände spielen. Leider werden solch negative Therapieverläufe genutzt, um manchmal ein pauschales und unfaires Urteil über eine nachweislich wirksame und mittlerweile etablierte Therapieoption im Kampf gegen die Adipositaserkrankung zu fällen. Hier sind meines Erachtens die Zentren, Fachgesellschaften und Verbände gefordert, ein System zu etablieren, welches einheitlich Gültigkeit hat und das umgesetzt werden muss. Ein System, dem es gelingt, ein hohes Maß an Transparenz zu schaffen und die Stellen sanktioniert, die sich nicht an strukturierte und bewährte Vorgehensweisen und interdisziplinäre Therapieauflagen halten.

Die Zahl der bariatrischen Operationen ist stark steigend und wird in den kommenden Jahren sicher noch weiter ansteigen, denn die Zahl der massiv adipösen Menschen und damit der Adipositaspatienten wächst. Tausende Betroffene profitieren jedes Jahr von einer Schlauchmagen- oder Magenbypass-Operation und für viele bedeutet dies einen wichtigen Schritt in ein leichteres und gesünderes Leben und das Ende eines langen Leidensweges. Dennoch gibt es aus meiner Sicht auch falsche Tendenzen und Trends.

Vier wichtige Punkte, die sich – meiner Ansicht nach – ändern müssen:

  • Die Qualität in der Therapie muss bundesweit auf einem einheitlichen, hohen Niveau stattfinden und es müssen Regularien etabliert werden, die Zentren sanktionieren, die sich nicht an diese Vorgaben halten.
  • Adipositaspatienten muss – sowohl bei ShG-Treffen aber auch im Internet – deutlicher aufgezeigt werden, dass eine gute und etablierte OP-Vorbereitung und das Einbinden konservativer Therapiemodule, sowohl vor wie nach der OP, keine Hürde sondern eine Chance für den nachhaltigen Therapieerfolg darstellen. Hier leisten ShG-Gruppen- und Verbände bereits viel, könnten aber ihre Aktivitäten (in einigen Bereichen) noch intensivieren und da nehme ich mich nicht raus!
  • Kassen müssen sämtliche prä- und postoperative, leitliniengerechte Therapieangebote vollständig übernehmen und dürfen nicht einzelnen Adipositaszentren durch individuell ausgehandelte Verträge einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
  • Adipositaszentren müssen allen operierten Patienten eine lebenslange Nachsorge garantieren. Die Nachsorgequote sollte noch stärker reglementiert und kontrolliert werden. Auch wenn die Zertifizierungsrichtlinien schon eine gute Maßnahme darstellen.

Fazit:

Es gibt viele hochqualifizierte und gut organisierte Zentren in Deutschland, die gute Arbeit leisten und viel Geld und Mühe in die Bereitstellung eines breiten, interdisziplinären Therapieangebotes investieren. Sie richten sich nach den S3-Leitlinien und behandeln Patienten mittels eines gut strukturierten Therapiepfades. Dennoch scheinen einzelne Zentren in hohem Maße davon zu profitieren, dass sie dies eben nicht tun – zum Leidwesen der Patienten und ihrer eigenen Kollegen.
Diese Entwicklung muss gestoppt werden, denn sonst – davon bin ich überzeugt – wird die Zahl der Redo- und Reversionseingriffe weiter steigen, werden die Langzeitkomplikationen durch Mangelversorgung weiter zunehmen und die bariatrische bzw. metabolische Chirurgie einen Teil ihrer hart erkämpften Reputation wieder verlieren.

Ich bin gespannt auf Eure/Ihre Sichtweise zu meinen Meinungen und Erfahrungen. Außerdem würde mich interessieren, welche Erfahrungen Ihr mit einem interdisziplinären Therapiekonzept sammeln konntet und wie zufrieden Ihr mit der Op Vorbereitung und der bariatrischen Nachsorge seid. Hier wären natürlich auch die Meinungen und Erfahrungen der Mediziner und ShG-Leiter zu der hier angesprochenen Thematik interessant.

Ihr

Faris Abu-Naaj

Faris Abu-Naaj


Beitragsfoto: © Frank Adelhardt & CANVA
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Kein neues Leben – ein besseres Leben!

Ein Beitrag von Faris Abu-Naaj, Autor des Buchs „Schlank durch OP“ und gemeinsam mit Mihaela Savu Leiter der Selbsthilfegruppe „Dicke Freunde München“

Einige AdipositaspatientInnen bezeichnen die Phase nach einer bariatrischen Operation als „neues Leben“. Ich persönlich kann es nicht wirklich so sehen, unterstellt der „Neuzustand“ doch eigentlich, dass das „Alte“ nicht mehr da ist und wir einen Zustand erreicht haben, in dem wir nochmal ganz von vorne anfangen.
Das macht mich besonders deshalb nachdenklich, weil es ja für fast alle AdipositaspatientInnen keines vollkommenen Neuanfangs bedarf. Vielmehr müssen einige Dinge verändert werden, die vor der OP eben dafür gesorgt haben, dass häufig sowohl die Gesundheitssituation wie auch das eigene Selbstwertgefühl gelitten haben.
Dennoch wird jede/r von Ihnen auch im Leben vor der OP Dinge erreicht, erlebt oder gemacht haben, auf die man stolz sein kann und die man in positiver Erinnerung hat. – Und auch Dinge von denen man heute vielleicht noch profitiert! Sei es eine gute Ausbildung, die Geburt der Kinder oder auch der Aufbau eines eigenen Heims, eines guten Freundeskreises oder der familiäre Zusammenhalt.

Natürlich bringt eine bariatrische Operation auch eine Reihe von positiven Veränderungen mit sich, nur verursacht sie kein neues Leben.

Sie gibt Ihrem Leben hoffentlich in den Bereichen wichtige positive Impulse, wo sich damals mit Ihrer stark fortgeschrittenen Adipositaserkrankung vielleicht eine gewisse Frustration oder auch Resignation breit gemacht hat.
Andere positive Eigenschaften, Erlebnisse und Lebensumstände erfahren hoffentlich keine „Erneuerung“!
Auch hat nicht die Operation Ihr Leben in diesem Bereich „erneuert“, sondern Sie! Sie haben nach diesem Krankenhausaufenthalt dafür gekämpft hat, dass die Therapie erfolgreich verläuft. Sie haben den Entschluss gefasst, diese Behandlungsoption auszuwählen und Sie tragen auch heute noch die meiste Verantwortung dafür, dass Sie hoffentlich nicht in einigen Jahren wieder in der Situation sind, dass Sie sich ein „neues Leben“ wünschen.

Begegnen Sie Ihrem veränderten Leben mit Respekt, aber sind Sie nicht ausschließlich der OP oder Ihren ChirurgInnen dankbar, sondern empfinden Sie Dankbarkeit sich selbst gegenüber. Und schätzen Sie auch die Dinge, die keiner Erneuerung bedurft haben und halten Sie diese fest.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihrem veränderten, meinetwegen auch besseren und vor allem gesünderen Leben.

Ihr

Faris Abu-Naaj

Faris Abu-Naaj


Beitragsfoto: © Free-Photos / Pixabay
Autorenfoto: © Frank Adelhardt

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