Adipositastherapie kennt Licht und Schatten!

Häufig neigen Menschen dazu, Dinge zu polarisieren und als gut oder schlecht zu bewerten. Dabei liegt die Wahrheit oft in der Mitte. Selten können Dinge oder Sachverhalte als ausnahmslos positiv oder negativ kommuniziert werden. Dies ist häufig auch in der Medizin so. Medikamente, die Krankheiten heilen oder Schmerzen lindern, haben häufig auch Nebenwirkungen. Auch viele Operationen können heilen und Leben retten, bergen aber auch für den Patienten gewisse Risiken. „Zwischen Schwarz und Weiß gibt es meistens auch Grau!“

Somit haben wir Mediziner eine besondere Verantwortung dafür, die Vor- und Nachteile der einzelnen Therapieangebote offen darzulegen und mit unseren Patienten ausführlich zu besprechen. Nur dadurch geben wir unseren Patienten die Möglichkeit, eine Therapieentscheidung zu treffen, die nicht auf pauschalen Aussagen oder Versprechen beruhen, sondern auf medizinischen Fakten und gesammelten Erfahrungen. Erfahrungen, die auf unserer Behandlungspraxis und dem Wissen internationaler Experten aus dem Bereich der Adipositastherapie fußen. Häufig betrifft dies auch unsere Prognosen eines möglichen Gewichtverlusts oder des gesamten Therapieerfolgs. Sicher kann festgestellt werden, dass zum Beispiel im Bereich der bariatrischen bzw. der metabolischen Chirurgie, gewisse Faktoren den Erfolg der Therapie begünstigen oder erschweren können. Faktoren, für die unser Zentrum und wir Mediziner, aber auch die Patienten verantwortlich sind. Ein wichtiges Qualitätskriterium ist, meiner Ansicht nach, die Zertifizierung und damit verbunden die Dokumentation der fachlichen Qualifikation von Chirurgen, Medizinern und Therapeuten sowie die technische und medizinische Ausstattung des Zentrums und der personellen Ressourcen. Aber auch ein weitverzweigtes und gut strukturiertes Netzwerk, von Medizinern und Therapeuten unterschiedlichster Fachrichtungen, beeinflusst die Qualität der Therapie und damit die Erfolgsaussichten. Patienten beeinflussen den Therapieerfolg durch ihre Zuverlässigkeit und ihrem persönlichen Engagement vor und nach einer Operation. Aber auch die offene und ehrliche Kommunikation und das schnelle Handeln im Falle von Komplikationen und Rückschritten kann den Therapieverlauf nachhaltig beeinflussen. Trotz all dieser Kriterien, die Einflüsse auf den Verlauf der Therapie haben können, gibt es auch viele Faktoren, die eben nicht vorhergesagt oder durch feste Vorgaben bzw. Parameter bestimmt werden können. So gibt es Operationen, die trotz sorgsamer Vorbereitung nicht optimal verlaufen oder sogar einen weiteren Eingriff erforderlich machen.

Auch erleben fast alle Patienten nach anfänglich hohem Gewichtsverlust, auch immer wieder Phasen der Stagnation oder sogar eines erneuten Gewichtsanstiegs.

Am Ball bleiben und nicht resignieren!

Dann heißt es: Am Ball bleiben und nicht resignieren! Jetzt ist es wichtig, das langfristige Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und zu akzeptieren, dass die Adipositaserkrankung eine chronische Erkrankung ist und auch die Therapie eine lebenslange Herausforderung, sowohl für die Patienten wie auch für uns, darstellt. Ein Weg, der eben nicht nur aus Erfolgen besteht, sondern auch aus einigen Rückschlägen. Es ist, gemäß der gewählten Überschrift, ein Weg aus „Licht und Schatten“!

Auch gilt es zu prüfen, ob die gewählten Therapieziele wirklich realistisch sind oder ob es nicht sinnvoller ist, kleinere Etappenziele festzulegen.

Viele Adipositaspatienten orientieren sich in der Zielsetzung an den Erfolgsgeschichten anderer Patienten und dies mit teilweise gravierend negativen Folgen für den eigenen Therapieverlauf. Meist sind die in den sozialen Netzwerken dargestellten Therapieverläufe nur auf die Darstellung der Anfangssituation und der aktuellen Situation beschränkt und bezieht sich auch nur auf den Gewichtsverlust. Häufig werden Komplikationen, Schwierigkeiten oder Rückschritte nicht kommuniziert oder ausgeblendet. Auch werden wichtige Therapieerfolge, wie die Remission vieler Begleiterkrankungen oder der Gewinn an Lebensqualität auch durch kleine Therapieerfolge, nur unzureichend oder gar nicht dokumentiert.

Wechsel aus “Licht und Schatten“

Dabei bestehen auch diese Geschichten meist aus einer langen Kette von Entbehrungen, Phasen der Stagnation oder gelegentlichen Rückschritten. Eben auch ein Wechsel aus “Licht und Schatten“! Deshalb hier einige wichtige Punkte zusammengefasst, die Ihnen bei Ihrer persönlichen Therapie helfen können:

  1. Durch eine gute Vorbereitung auf einen bariatrischen Eingriff und die zuverlässige Teilnahme an dem Nachsorgeprogramm, können Sie den individuellen Therapieverlauf positiv beeinflussen.
  2. Die Auswahl des Zentrums, ein breit aufgestelltes Netzwerk an Medizinern und Therapeuten mit einer hohen Expertise in der Adipositastherapie haben ebenfalls häufig Einfluss auf den Verlauf der Therapie.
  3. Setzen Sie sich realistische Ziele, und versuchen Sie nicht überzogenen Abnehm-Rekorden nachzueifern, die Sie in sozialen Netzwerken sehen.
  4. Akzeptieren Sie, dass eine erfolgreiche Adipositastherapie kein Sprint, sondern ein Marathon ist, der vom Erreichen kleiner Etappenziele und dem nachhaltigen Erhalt dieser Ziele lebt.
  5. Fokussieren Sie die Bewertung des Therapieverlaufs nicht ausschließlich auf den Gewichtsverlust. Berücksichtigen Sie die Remission von Begleiterkrankungen, den Zugewinn des Selbstwertgefühls und der allgemeinen Lebensqualität oder eine Aktivitätssteigerung mit in die Bewertung des Therapieverlaufs.
  6. Binden Sie die Treffen einer Selbsthilfegruppe in die Therapie mit ein und tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen über Ihre gesammelten Therapieerfahrungen aus. Sprechen Sie darüber wie andere Adipositaspatienten mit Rückschlägen oder Stagnationsphasen umgegangen sind.
  7. Akzeptieren Sie, dass jede Adipositastherapie aus Höhen und Tiefen und auch aus Phasen der Stagnation besteht. Phasen, die oft auch längere Zeit dauern können und ein hohes Engagement und Durchhaltevermögen erfordern, um die gesamte Therapie nicht zu gefährden.

Wenn Sie diese Empfehlungen beherzigen, erfüllen Sie viele Voraussetzungen, sodass es Ihnen gelingen wird, der chronischen und lebensgefährlichen Erkrankung wirkungsvoll und nachhaltig entgegenzutreten.

Ihr Dr. med. Min-Seop Son – Chefarzt und Leiter des Zentrums für Adipositas und metabolische Chirurgie der WolfartKlinik München-Gräfelfing

Foto: © minalsingla104/Pixabay

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